Montag, 18. November 2019

Wie wird man als Quereinsteiger Biowein-Importeur

Erich Hartl hartl@weinpur.de http://www.biowein-pur.de/


Gelernt hatte ich ursprünglich Koch und Hotelkaufmann. Die Berufswahl ließ nicht unbedingt ahnen, dass ich mich später ausschließlich dem Import von Bioweinen widmen würde. Was muß ein Quereinsteiger, wie ich es bin, eigentlich mitbringen? Das Wichtigste ist eine gute Portion Enthusiasmus, Freude am Genuss guter Weine, ein funktionierendes Geruchsorgan, ein empfindsamer Gaumen, ein weinbauliches Basiswissen und etwas Umweltbewusstsein. Alles Weitere lernt man im Laufe seiner Tätigkeit. 
Ein Lernprozess, der nie ein Ende findet und der nicht umsonst zu haben ist, wenn man sich wie ein Weintourist verhält. Da besucht man ein Weingut in wunderschöner Umgebung, die Winzerin oder der Winzer ist sympathisch und serviert einen Wein nach dem anderen bis man beim Besten angelangt ist. Käse, Schinken und Weine schmecken immer besser und die erzählten Geschichten über den eigenen und den Werdegang jedes einzelnen Weins sind beeindruckend. Bei einem Verdauungsspaziergang durch die Weinberge kostet man die Trauben an den Reben, die appetitlich aussehen und wunderbar schmecken. Man weiß ja, dass daraus nur guter Wein entstehen kann. Bevor man wieder abreist, stellt man einen Auftrag zusammen, der eine Palette mit 600 Flaschen umfasst, und bezahlt im Voraus.
Wieder Zuhause erwartet man das Eintreffen der Weine mit Ungeduld um sie gleich zu probieren. Doch mit einem Mal erkennt man die Weine nicht wieder, reklamiert beim Winzer, der rät dazu 2-4 Wochen abzuwarten und sie nochmal zu probieren. Normalerweise erfüllen sich dann die Erwartungen an den Wein und man kann ihn ruhigen Gewissens den Kunden anbieten.
Zuhause probieren wir die neu entdeckten Weine in der Regel über mehrere Tage hinweg, um zu erkunden, wie sie sich entwickeln. Es kam dabei auch vor, dass der verkostete Wein einen zu hohen Gehalt an flüchtiger Säure enthielt und deshalb nicht mehr verkehrsfähig, also nicht mehr genießbar war. Eine Analyse des Weins vor dem Kauf hätte uns davor bewahrt, 600 Flaschen Wein zu entkorken und über das Wasserabflussrohr entsorgen zu müssen.
Ich erinnere mich an einen Vorgang im Hof des Zollamts in Tübingen, bei dem wir die vorab bezahlte Schaumweinsteuer für 240 Flaschen oxydierten Champagner zurückerstattet haben wollten. Normalerweise konserviert die im Champagner enthaltene Kohlesäure dieses Luxusgetränk über mehrere Jahre hinweg. Bei „unserem“ Schaumwein hat das leider nicht funktioniert. Um die bezahlte Steuer wieder zu erhalten, mussten wir im Beisein eines Zollbeamten 240 Flaschen Champagner öffnen und in den Gulli gießen.
Ähnliches passierte uns einmal mit einem Vino Nobile di Montepulciano, der tatsächlich zu den noblen Weinen der Toskana zählt. Mit entsprechendem Körper, Frucht und Tannin kann ein Vino Nobile 10 Jahre gelagert, und dabei immer besser werden. So war es leider nicht mit einem recht jungen Wein, den wir uns ausgesucht hatten. Er hatte alles – Körper und Frucht, aber leider Tannin im Übermaß. Dadurch wurde er herb, wirkte hart und grün und wurde auch durch lange Lagerung nicht weicher und nicht zugänglicher. Wir konnten ihn nicht verkaufen und mussten ihn entsorgen.
Wir lernten daraus, uns nie beim ersten Besuch eines Weinguts für einen Wein zu entscheiden, sondern ihn mit nach Hause zu nehmen, einige Wochen ruhen zu lassen und dann über drei bis vier Tage hinweg zu probieren. Dabei erkennt man die Veränderung des Weins von Tag zu Tag und kann daraus die Persistenz und Lagerfähigkeit eines Weins ableiten. Eine ausführliche Analyse des Weins kann Verlustrisiken verhindern.
Im Laufe der Jahre sind wir sicherer geworden in der Einschätzung von Weinen. Der Enthusiasmus ist geblieben. Ebenso die Freude am Genuss guter Weine. Eine Freude, die noch größer ist, wenn wir sie mit unseren Kunden teilen können.

Herzliche Grüße
Erich Hartl