Montag, 4. November 2019

Meine Besuche bei Weingütern

Erich Hartl hartl@weinpur.de http://www.biowein-pur.de/
In der Boulangerie bekommt man neben Baguette auch Hilfe bei der Suche nach Weingütern. Bild: Hartl

Wenn ich Weingüter erstmals besuche, lasse ich mir den Weg dorthin – sie sind meist außerhalb der Orte zu finden – in einer typischen französischen Bäckerei (ich liebe den Duft und das Flair) beschreiben. Bereits hier kann ich an der Reaktion der Menschen hinter dem Tresen die Wertschätzung für das Weingut erkennen. So war es auch bei der Domaine Julien de L'Embisque. Die Empfehlung in der Bäckerei machte mich neugierig. Meine Erwartungen wurden dann beim Besuch in der Côtes du Rhone noch weit übertroffen. Es waren zunächst die unscheinbaren Erlebnisse und die umweltbewusste Lebensweise der Familie Gaide, die mir ein gutes Gefühl vermittelten. 

Es ist jedoch nicht nur eine gefühlsbasierte Entscheidung, auch die Weine müssen von höchster Güte sein, um in unser Sortiment zu gelangen. Der persönliche Kontakt zu Winzern ermöglicht es mir, Informationen aus erster Hand zu bieten, die Sie von anderen Händlern nicht erhalten, weil diese fast alle ihre Weine von wenigen großen Importeuren beziehen. Das war vermutlich auch der Grund dafür, dass nur wir den Luberon rosé 2018 vom Weingut Canorgue in der Provence nicht als Château La Canorgue rosé, 2018 angeboten haben, sondern als La Canorgue rosé, Côtes du Luberon.
Andere Anbieter wußten vielleicht nicht, dass die Trauben für diesen Wein nicht aus den Weinbergen des Château Luberon, sondern von einem anderen Winzer in der Region stammten. 

Der Grund dafür geht zurück auf das Frühjahr 2018. Anfang Mai 2018, früh am Morgen, zerstörte ein heftiger Hagelsturm die Hälfte der Reben des Château La Canorgue. Am Abend des gleichen Tages zerstörte ein weiterer Hagelsturm fast alle Reben eines anderen Weinbergs. Insgesamt konnten deshalb im Jahr 2018 nur 30 % einer normalen Ernte eingebracht werden. Bei meinem Besuch des Weinguts konnte ich mir die betroffenen Weinberge ansehen, es war ein trauriger Anblick. Dabei sagte mir Winzer Jean-Pierre Margan, es träfe für kluge Landwirte immer noch zu, dass für solche Fälle eine Rücklage von Waren oder Geld im Wert von drei Ernten erforderlich sei um nicht in Konkurs zu gehen. Wir diskutierten die Möglichkeit ob es sinnvoll sein könnte, Trauben von einem anderen Bioweingut der Region hinzuzukaufen um daraus einen der wichtigsten Weine des Weingutes, den Rosé zu erzeugen. Der durfte dann allerdings nicht mehr Château La Canorgue heißen. Château ist gesetzlich nur Weinen vorbehalten, die in den Weinbergen des Château gewachsen sind. So musste der Rosé als "La Canorgue" angeboten werden. 
Die Entscheidung so vorzugehen fiel früh genug um die Pflege der Reben in den fremden Weinbergen zu übernehmen, den richtigen Erntezeitpunkt zu bestimmen und die Ernte selbst per Hand durchzuführen.

Alles Weitere ging seinen normalen Lauf. Herausgekommen ist ein Rosé mit frischen und komplexen Fruchtaromen, der bei der Millesime Bio 2019 in Montpellier eine Goldmedaille erhalten hat: 

Herzliche Grüße
Erich Hartl