Dienstag, 26. November 2019

Warum wir uns von manchen Bioweingütern trennen

Erich Hartl hartl@weinpur.de http://www.biowein-pur.de/


Manchmal werden wir auf ein Weingut aufmerksam, weil es in der Fachpresse gelobt wird und die Weine Lücken in unserem Sortiment schließen könnten. Dann besuchen wir das Weingut. Wir probieren die Weine, sehen uns die Weinberge und die Keller an. Bei einem dieser Besuche waren wir beeindruckt von der peniblen Sauberkeit und Ordnung auf dem Hof und im Weinkeller. Auch die Weine waren von bester Qualität. Dieser Eindruck setzte sich im Weinberg fort, aber auf dem Weg dorthin, es war im Frühling, waren die Wegränder und Böschungen nicht mit grünem Gras, blühendem Gebüsch, wilden Blumen und Kräutern bedeckt, sondern mit abgestorbenem, welkem Bewuchs. Ein Hinweis auf die Behandlung mit Herbiziden und ein mangelndes ökologisches Bewusstsein, denn damit zerstört man einen Lebensraum für Vögel und Insekten und schädigt die Umwelt. Trotz des sonst guten Eindrucks verzichteten wir auf eine Zusammenarbeit.
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Von einem anderen, in architektonischer und kellertechnischer Hinsicht wunderschönen Weingut in der Region Veneto/Friaul, bezogen wir mehrere Jahre lang hervorragende Weine. Wir besuchten es mehrmals, auch zusammen mit unseren Kunden. Es bewirtschaftete 100 Hektar Weinberge, davon nur die Hälfte der Fläche biologisch, weil der Absatz im Biobereich noch nicht groß genug war. Ein verständlicher Grund, denn nicht nur die Kosten der biologischen Arbeitsweise sind höher, sondern auch die Kosten der Kontrolle und Zertifizierung. Mein Misstrauen entstand erst, als mir der Kellermeister auf Nachfrage erklärte, dass eine technische Einrichtung der Mostkonzentration durch Umkehrosmose diene, die ich andernorts noch nicht gesehen hatte. Einige Monate später wurden wir informiert, dass der biologische Weinbau komplett eingestellt würde, dass wir jedoch Biowein wie bisher beziehen könnten. Anstatt selbst biologischen Weinbau zu betreiben, sollen jetzt Trauben von kleinen Weinbauern gekauft und zu Wein verarbeitet werden.  Damit  übertrugen sie den höheren Arbeitsaufwand und vor allem das Risiko (Frost, Regen, Hagel, Ernteverlust) auf Ihre Zulieferer. Für uns Grund genug, die Zusammenarbeit einzustellen. Wenn Sie unsere Reaktion nicht verstehen können, versetzen Sie sich bitte in die Situation der kleinen Winzer. 
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Wein ist in erster Linie kein technisches, sonder ein „weiches“ Produkt. Besonders Biowein hat einen Hintergrund, eine Seele, es stecken intensive Gedanken einer Winzerin, eines Winzers dahinter. Es hat mit Gefühlen zu tun, mit Wetterbeobachtungen und Reaktionen darauf, es geht stets darum, die richtigen Vorkehrungen zu treffen. Während vieler Monate muss die Aufmerksamkeit stets dem Weinberg und den Reben gelten. Dabei kann ein Bioweinberg nicht isoliert von regionalen und globalen Einflüssen gesehen werden. Ein/e Biowinzer/in muss auch  ihr/sein persönlichen Leben umweltbewusst gestalten, sonst ist er nicht glaubwürdig, sonst geht es ihr/ihm nur darum, sich in einer kleinen Nische der Weinindustrie bessere Verkaufschancen zu verschaffen.  Solche Zweifel entstanden bei uns, als wir bei einem Weingutbesuch vom Winzer mit einem 3 Tonnen schweren Achtzylinder Geländewagen durch seine Weinberge kutschiert wurden. Das hat zwar unserem  damals 12jährigen Enkel imponiert, für uns war es ein Grund, von dort keine Weine mehr zu kaufen. Ein klappriger, alter R4 hätte es auch getan und würde nicht 30 l/Benzin auf 100km verbrauchen. Inzwischen haben wir uns auch von diesem Erzeuger getrennt.
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Wie Sie wissen, wird in der Provence großzügig mit Olivenöl gekocht. Und immer legt man großen Wert darauf zu wissen, woher es kommt. Nicht so bei einem Bioweingut wo ich zum Mittagessen eingeladen war und beiläufig fragte, ob es in der Nähe einen Erzeuger von Bio-Olivenöl gibt. Als ich darauf keinen Namen und keine Adresse zu hören bekam, wunderte ich mich sehr. Ich wusste, dass nur wenige Kilometer vom Weingut entfernt, gutes Bio-Olivenöl erzeugt wurde. So ähnlich ist es auch, wenn ich in einem Bioweingut nach einem Bio-Restaurant oder einem Bioladen frage und keine positive Antwort erhalte. Denn normalerweise sind Biolandwirte gut miteinander vernetzt, sie tauschen Erfahrungen aus, treffen sich bei Schulungen, sie veranstalten Proben ihrer Produkte und helfen sich gegenseitig. 
Wir haben nicht sofort darauf reagiert, aber nach einer eindeutigen negativen Erfahrung gibt es die Weine dieses Weinguts auch nicht mehr bei uns.
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Nachdem unser Biowein-Sortiment aus Frankreich 1985 einen Umfang angenommen hatte mit dem wir als kompetenter Weinhändler von Kunden akzeptiert wurden, begannen wir uns in Italien umzusehen. Wir hatten zunächst ein paar Vorbehalte. Aber egal wo wir hinkamen, ob am Gardasee, im Piemont, Südtirol oder der Toskana, stets waren wir überrascht vom guten Zustand der Weinberge und der Kellerausstattung der besuchten Bioweingüter. Es gab nur eine enttäuschende Ausnahme. Ich war mit meinem Freund Piero, einem Mediziner und exzellenten Hobbykoch, in der Toskana unterwegs um einen Termin auf einem Weingut in der Nähe von Montespertoli einzuhalten. Damals gab es noch keine Navigationsgeräte und so trafen wir zu spät zum Termin, aber rechtzeitig zum Mittagessen ein. Es handelte sich um eine kleine Kooperative von ca. 10-15 jungen Leuten, (Lehrern, Studenten, Akademikern) aus Mailand und Turin, die Milchschafe hielten, einen vorzüglichen Peccorino herstellten und Weinbau betrieben. Das Mittagessen im großen Kreis schmeckte hervorragend, seltsam erschien es uns jedoch, dass nur uns Wein serviert wurde, der nicht einmal besonders gut mundete. Man erklärte uns, sie würden biodynamische Landwirtschaft betreiben und nach anthroposophischen Grundsätzen leben und deshalb keinen Alkohol trinken. Man muss kein Pferd sein, um gut reiten zu können, dachte ich mir. Für die Weinbereitung hätten Sie ja einen Fachmann engagieren können. 
Ihre Weinberge waren in Top-Zustand, wie wir während eines Spaziergangs durch die Reben erkennen konnten. Die Käserei war modern ausgestattet und hygienisch sauber. Jedoch beim Betreten des Weinkellers stieg uns sofort deutlicher Essiggeruch in die Nase, die Einrichtung war unterhalb des akzeptablen Niveaus und nicht mehr dazu geeignet, saubere, reine Weine zu erzeugen. Wir empfahlen ihnen, sich mit einem schwäbischen Bio-Safterzeuger in Verbindung zu setzen und die Erzeugung von Wein einzustellen. Das taten Sie dann auch.
Um guten Biowein zu erzeugen, reicht eine ökologische Gesinnung und gute Arbeit im Weinberg zu leisten nicht aus, die Krönung dieser Arbeit findet im Weinkeller statt.

Herzliche Grüße
Erich Hartl

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